Kapitel 2, 1—27

Der Tag Jahwes — der Einfall des Assyrers

In den so verhängnisvollen Verheerungen durch die Heu­schrecken musste Israel notgedrungen das Gericht Gottes erken­nen. Infolge der tiefernsten Begleitumstände, der Unterbrechung der priesterlichen Funktionen und des Aufhörens der Verbindung des Volkes mit Gott, endlich wegen der furchtbaren Hungersnot selbst rufen die Menschen: "Ach, über den Tag! denn nahe ist der Tag Jahwes, und er kommt wie eine Verwüstung vom Allmächtigen" (Kap. 1, 15). Diese erschütternden Geschehnisse, deren Zeuge Joel ist, öffnen seine sehenden Augen für das, was in ferner Zu­kunft geschehen muss. Er schaut in diesen Übeln ein Bild der kommenden Ereignisse, ein Vorbild der furchtbaren Dinge, die den Tag Jahwes begleiten werden. Sagen uns die Erschütterun­gen der heutigen Tage, in denen wir leben, nicht genau dasselbe?

Wie wir schon in der Einleitung bemerkt haben, schweigt die von den Propheten Jesaja und Hosea so abweichende Weissagung Joels vollständig über die historischen Ereignisse. Deshalb sind wir nicht, wie in den anderen Propheten, berechtigt, diese hier hineinzubringen. Der Ausgangspunkt der prophetischen Ausfüh­rungen Joels ist die Heuschreckenplage, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sie auch geschehen sein mag. Der Angriff des prophetischen (zukünftigen) Assyrers gegen Juda und Jerusalem in unserem Kapitel ist das Gegenstück dazu. Der Prophet Jesaja lenkt unsere Blicke immer von Sanherib, dem historischen Assyrer, zum Assyrer des Endes, und geht vom Charakter und Schick­sal des einen aus, um Charakter und Schicksal des anderen vorzuzeichnen. Joel aber übergeht den ersteren stillschweigend. Für ihn ist der assyrische Einbruch in Juda und Jerusalem ein Charakterzug des Tages Jahwes, des großen und furchtbaren. Die Ereig­nisse in Kapitel 1 erinnern daran, sind aber hiervon nur ein schwaches Abbild.

Der Assyrer spielt also eine Hauptrolle in diesen Ereignissen, die der Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches, der messianischen Königsherrschaft von Jesus Christus, vorausgehen, wie dies am Ende unseres Kapitels beschrieben ist (Verse 23—27; vgl. auch Kap. 3, 18—21). Vielleicht sollte man genauer von einem assyrischen Bund reden, dessen politisches Haupt der Gog Hesekiels ist (Hes. 38—39); Daniel nennt ihn den "König des Nordens" (Dan. 11, 40—45) und unser Prophet "der von Norden Kommende", dessen "Gestank" und "übler Geruch" aufsteigen wird, "weil er Grosses getan hat" (Kap. 2, 20). Diese symbolische Heuschrecken-Armee hat über sich einen König (vgl. Offb. 9, 11), während vom nicht symbolischen, natürlichen Standpunkt aus gesagt wird: "Die Heuschrecken haben keinen König, und doch ziehen sie allesamt aus in geordneten Scharen" (Sprüche 30, 27).

Wir bemerken noch, dass der König des Nordens Daniels und der Gog Hesekiels nichts mit Babylon zu tun haben, obwohl Je­remia oft von Nebukadnezar und Babel als von den Heeren des Nordens, dem Volk und dem Land des Nordens, redet, und ebenso von den Medern und Persern, die später Chaldäa erobert haben. Gog, dessen Gebiet sich nach und nach gegen Norden bis tief nach Russland und Asien ausgedehnt hat, ist der Abkömmling und Nachfolger des historischen Assyrers. Der "assy­rische Bund" der Prophezeiung umfasst all die Gebiete unter der Herrschaft des Gog. Der König des Nordens beherrscht Kleinasien, das zuerst zum Gebiet des historischen Assyrers gehörte, nachher aber unter Seleucus ein selbständiges Reich wurde. Ohne mit Gog identisch zu sein, wird der König des Nordens sich mit ihm eins machen und gemeinschaftlich mit ihm handeln und als sein Heerführer eine überwiegende Rolle spielen. (Vgl. Daniel 11, 5—19. 40—45.)

Der Assyrer des Jesaja ist der historische, der aber in den letzten Tagen wieder erscheinen wird, lange nachdem Babylon das einst Assyrien unterjochte und seinem Reich einverleibt hatte, untergegangen war. Babylon wird nicht wieder hergestellt wer­den, außer in symbolischer Gestalt, um das Verderben und die Verwirrung in der abgefallenen Christenheit, die wieder dem Götzendienst verfallen sein wird, zu charakterisieren (Offenbarung 17—19). Nur eines der vier Weltreiche, das römische, wird als solches wieder erstehen und ein Gegenstand des Erstaunens für die ganze Welt sein. Unter der Führung Gogs, des russischen Ober­hauptes, wird der assyrische Bund der große Gegenspieler des wiedererstandenen Römischen Weltreiches und seines Verbünde­ten, des Antichristen, des falschen Messias', Propheten und Königs des abtrünnigen jüdischen Volkes, sein. Dieser Assyrer wird in jenem Endkampf Palästina und vor allem Juda und Jerusalem überfallen [4] .

Der assyrische Bund der letzten Tage hat also Gog zum poli­tischen Oberhaupt (Hes. 32, 22—30; 38, 1—6). "Bist du der, von dem Ich in vergangenen Tagen geredet habe durch Meine Knechte, die Propheten Israels, die in jenen Tagen Jahre lang weissagten, dass Ich dich wider sie heranbringen würde?" sagt der Herr, Jahwe, in Hesekiel 38, 17. Nun haben die Propheten Israels vom Assyrer geweissagt, was beweist, dass Gog und der Assyrer ein und dieselbe Person sind [5] .

In unserem Kapitel wird der Assyrer und sein Heer mit den Heuschrecken in Kapitel 1 verglichen [6] . Gerade die Tatsache, dass das Heer der Heuschrecken aus Norden kommt, beweist den symbolischen Charakter ihres Einfalls.

Lasst uns nun die Einzelheiten unseres Kapitels betrachten:

"Stoßt in die Posaune auf Zion, und blast Lärm auf Meinem heiligen Berg! Beben sollen alle Bewohner des Landes; denn es kommt der Tag Jahwes, denn er ist nahe: ein Tag der Finsternis und der Dunkelheit, ein Tag des Gewölks und der Wolkennacht. Wie die Morgendämmerung ist es ausgebreitet über die Berge, ein großes und mächtiges Volk, desgleichen von Ewigkeit her nicht gewesen ist und nach ihm nicht mehr sein wird bis in die Jahre der Geschlechter und Geschlechter" (Verse 1—2).

Der Gedanke, dass der Tag Jahwes nahe bevorsteht, der durch das Unglück, das über Juda gekommen, geweckt worden ist (Kap. 1, 15), ist der Ausgangspunkt des Nachfolgenden. Joel sieht eine zukünftige Riesenarmee, den Wolken der Heuschrecken gleich, ein Bild, das, wie wir gesehen haben, in der Prophezeiung sehr bekannt ist. Diese Armee ist aber viel schrecklicher als die der Heuschrecken. Von diesen letzteren — eine Plage von bis dahin unerhörter Furchtbarkeit — wird gesagt: "Ist solches in euren Tagen geschehen, oder in den Tagen eurer Väter?" (Kap. 1, 2), aber von den Armeen in Kapitel 2 wird gesagt: "ein Volk . . . desgleichen von Ewigkeit her nicht gewesen ist, und nach ihm nicht mehr sein wird bis in die Jahre der Geschlechter und Geschlechter".

Der Weckruf ist ergangen, ihr Herannahen wird angekündigt: "Stoßt in die Posaune auf Zion, und blast Lärm auf Meinem heiligen Berg!" In Israel ertönten die silbernen Posaunen als Lärmsignal: in erster Linie zum Abmarsch des Lagers, und dann um in den Kampf mit dem Feind zu ziehen. In diesem letzteren Fall sollten die Lärmposaunen das Volk ins Gedächtnis vor Jahwe bringen, damit es von seinen Feinden errettet würde (4. Mose 10, 1—9). Diese Gewohnheit wird uns hier in Joel in Erinnerung ge­bracht. Die unzählbare Armee der Assyrer überschwemmt das Land. Wie kann man ihr Widerstand leisten? Kann eine Handvoll Männer etwas ausrichten vor einem so gewaltigen Gegner? Den­noch lärmt die Posaune auf Zion und auf dem heiligen Berg: Somit muss man sich versammeln. Um zu kämpfen? Welche Tor­heit! Diese Armee ist, woran du wohl nicht denkst, armes, ver­blendetes Volk, die Armee Jahwes! "Jahwe lässt vor Seinem Heere her Seine Stimme erschallen" (Vers 11). So bleibt keine Hilfsquelle übrig! Nein, keine, denn Jahwe ist mit jenen, die gegen euch sind. Ja, ihr habt es da mit Ihm zu tun. Stoßt laut in die Posaune, nicht um mit einem Feinde zu kämpfen, dem ihr notwendigerweise unterlegen seid, sondern um euch ins Gedächt­nis vor Jahwe zu bringen. In Sein Gedächtnis? Heißt das denn nicht, Ihn an unsere Schuld erinnern? Zweifellos, aber "wer weiß?"! Im Herzen Jahwes, der wider Sein Volk heraufzieht, ist nicht bloß Rache zu finden. Vielleicht zieht Er die Rute Seines Gerichts zurück, um sich eurer anzunehmen. "Bei Ihm ist Güte." Dies ist die wahre Bedeutung dieser Stelle, und die Lösung, zu der der Geist Gottes Sein schuldiges Volk führen möchte. Ach! Das gewünschte Resultat ist hier noch fern und wir werden sehen, was noch fehlt, damit die Segnung sich über Juda und Jerusalem ergießen kann, wenn wir in Vers 15 den zweiten Ge­brauch der Posaunen in Betracht ziehen.

"Beben sollen alle Bewohner des Landes; denn es kommt der Tag Jahwes, denn er ist nahe" (Vers 1). Hier kommt der Tag Jahwes. Hier ist nicht mehr, wie Kap. 1, 15, die Ankündigung dieses Tages: "Er wird kommen", sondern: "Er kommt!" Es ist hier der Anfang dieses schrecklichen Tages, von dem gesagt wird: "ein Tag der Finsternis und der Dunkelheit, ein Tag des Gewölks und der Wolkennacht, wie die Morgendämmerung ist es ausge­breitet über die Berge" (Vers 2), nicht um Licht in die Welt zu bringen, sondern im Gegenteil Finsternis, wie in Amos 4, 13 ge­zeigt wird. Aber diese Finsternis ist noch lange nicht so schreck­lich, wie die später beschriebene (Kap. 2, 30—31; 3, 15), denn wir haben hier erst die Anfangsereignisse des Tages Jahwes. Der Feind, einem Heuschreckenheer gleich, verdunkelt noch wie eine schwarze Wolke das Licht des Tages, das bereit ist, aufzugehen. In Hesekiel 38, 9 lesen wir das gleiche vom Assyrer: "Du sollst heraufziehen, wie ein Sturm herankommen, sollst wie eine Wolke sein, um das Land zu bedecken, du und alle deine Haufen und viele Völker mit dir". Wie der Vorgeschmack des Tages des Herrn durch die Plage im ersten Kapitel gezeichnet ist, so ist gleicherweise die Ankunft dieses zukünftigen Tages verbunden mit dem zukünftigen Einbruch des Assyrers.

Überall, wo dieses Heer durchzieht, wird das Land, das Lot einst als das Land beschaute, das gleich dem Garten Eden war, gänzlich verwüstet werden: "Vor ihm her verzehrt das Feuer und nach ihm lodert die Flamme; vor ihm ist das Land wie der Garten Eden, und nach ihm eine öde Wüste, und auch keine Entronnene lässt es übrig" (Vers 3). Dies ist eine Anspielung auf den zweiten Teil von Kapitel 1 (Verse 19—20). Dann folgt die Beschreibung dieses Heeres: "Sein Aussehen ist wie das Aussehen von Rossen; und wie Reitpferde, also rennen sie. Gleich Wagengerassel hüpfen sie auf den Gipfeln der Berge, gleich dem Prasseln der Feuer­flamme, die Stoppeln verzehrt; sie sind wie ein mächtiges Volk, zum Kampf gerüstet" (Verse 4—5). Der Prophet hat die Heuschreckenplage erlebt und entnimmt daraus seine Bilder. Alle, die Zeugen einer solchen gewesen sind, beschreiben sie ebenso. Ein Beobachter schreibt: "Dieses ungeheure ruhende Heer machte im Fressen einen ganz eigentümlichen Lärm. Wir hörten dies Ge­räusch schon bevor wir diese Fresser selbst erreichten". Ein an­derer sagt: "Es ist schwer, den Eindruck zu beschreiben, den die ganze Atmosphäre macht, die nach allen Seiten und in sehr be­trächtlicher Höhe von einer unzählbaren Menge dieser Insekten erfüllt ist, deren Flug langsam und gleichgeschaltet ist, und deren Geräusch dem des Regens gleicht; der Himmel war dadurch ver­dunkelt und das Licht der Sonne stark geschwächt". Noch ein anderer sagt: "Zu einem kompakten Körper vereinigt, in mäch­tigen Bataillonen einer geradlinigen Richtung folgend, ihre Reihen wie Kriegsleute einhaltend, erklettern sie Bäume, Mauern, Häuser und zerstören unterwegs alles Grün. Ja noch mehr, wie Diebe drangen sie in alle Häuser und in die Schlafzimmer."

Hier aber übersteigt die Beschreibung des Feindes jenes Phä­nomen bei weitem. "Gleich Wagengerassel hüpfen sie auf den Bergen . . . wie ein mächtiges Volk zum Kampf gerüstet. . ., sie stürzen sich zwischen den Waffen hindurch und sie verwunden sich nicht. . ., sie laufen in der Stadt umher" (Verse 5—9). Es ist "das Heerlager Gottes", der mächtige "Vollstrecker Seines Wor­tes" (Vers 11). In Vers 1 kommt der Tag, der nahe ist im Augen­blick, da die Posaune ertönt; hier aber: "Groß ist der Tag Jahwes und sehr furchtbar, und wer kann ihn ertragen!" (Vers 11). In Kapitel 3, 14 sehen wir ihn nochmals: "Nahe ist der Tag Jahwes im Tal der Entscheidung".

Beachtet nun Jerusalem den lauten Ruf der Posaune? Ach, auch in jenen zukünftigen Tagen wird es so wenig darauf hören wie in den früheren Tagen. Alle Propheten unterrichten uns dar­über. Jerusalem wird, indem es auf seinen Bund mit dem Römischen Reich und dem Antichristen baut, sich prahlend rühmen, "einen Bund mit dem Tod und einen Vertrag mit dem Scheol gemacht zu haben". Es wird sagen: "Wenn die überflutende Geißel hindurchfährt, wird sie an uns nicht kommen" (Jesaja 28, 15). Der Feind wird die Stadt unversehens überfallen und sich ihrer bemächtigen. Es ist zu beachten, dass es sich hier einzig um die Stadt Jerusalem und seine Mauer handelt. In der Tat haben wir hier den Schauplatz dieses Vorgangs, den Joel beschreibt; es ist Zion, das zum lauten Blasen der Posaune aufgerufen wird. Das Heer erstürmt die Mauer, verteilt sich in der Stadt, steigt in die Häuser und durch die Fenster. Jerusalem ist hier in Gegensatz zu den übrigen Städten Israels gebracht. In Hesekiel sagt der nämliche Feind, Gog: "Ich will hinaufziehen in das Land offener Städte, will über die kommen, die in Ruhe sind, in Sicherheit wohnen, die allesamt ohne Mauern wohnen und Riegel und Tore nicht haben; um Raub zu rauben und Beute zu erbeuten .. . gegen ein Volk, das aus den Nationen gesammelt ist ... das den Nabel (Mittelpunkt) der Erde bewohnt" (Hes. 38, 11. 12). Anderer­seits zeigt uns Sacharja 14, 2, dass Jerusalem durch denselben Feind belagert und dass die Stadt (das Wort wird dreimal wieder­holt, vgl. Lukas 24, 49) eingenommen werde. Jesaja endlich belehrt uns, dass die Stadt vor der "überflutenden Geißel", d. h. dem Assyrer, nicht verschont bleiben wird, sondern dass man sich, wenn dann die Befreiung kommt, nicht auf "den Schreiber, noch auf den Wäger, noch den, der die Türme zählt, stützen wird" (Jes. 28, 14—21; 33, 18). Daraus sieht man, dass Jerusalem, im Ge­gensatz zu den "offenen Städten" als Hauptstadt und Zentrum des Widerstandes gegen den Feind vom Norden, befestigt sein wird. Der Prophet geht aber weiter und seine Sprache zeigt deutlich, dass das Heuschreckenheer nur ein schwaches Abbild des zukünftigen Einfalls des Assyrers bedeutet. "Vor ihnen erbebt die Erde, erzittert der Himmel; Sonne und Mond verfinstern sich, und die Sterne verhalten ihren Glanz" (Vers 10). Darum, weil "Jahwe vor Seinem Heer her Seine Stimme erschallen lässt, denn Sein Heerlager ist sehr groß, denn der Vollstrecker Seines Wortes ist mächtig; denn groß ist der Tag Jahwes und sehr furchtbar, und wer kann ihn ertragen?" Hier ist dieser Tag nicht mehr wie am Anfang des Kapitels kommend, sondern jetzt ist er da. Da erhebt sich wiederum die Frage: Was tun? Die Antwort gibt uns Apostelgeschichte 17, 30—31: "Gott gebietet jetzt den Menschen, dass sie allenthalben Buße tun sollen, weil Er einen Tag gesetzt hat, an dem Er den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann, den Er dazu bestimmt hat, und hat allen den Beweis davon gegeben, indem Er Ihn auferweckt hat aus den Toten". Somit ist angesichts des Gerichts die Buße das einzige, was Gott von den Menschen fordert, und eben dies finden wir auch in unserm Propheten. Er sagt, "jetzt noch" sei Raum zur Buße: "Aber auch jetzt noch, spricht Jahwe, kehrt um zu Mir mit eurem ganzen Herzen und mit Fasten und mit Weinen und mit Klagen. Und zerreißt euer Herz und nicht eure Kleider, und kehrt um zu Jahwe, eurem Gott; denn Er ist gnädig und barm­herzig, langsam zum Zorn und groß an Güte, und lässt sich des Übels gereuen" (Verse 12—13). Er ruft das Volk dazu auf, wie Er in Hosea 6, 1 sagt: "Kommt und lässt uns zu Jahwe umkehren; denn Er hat zerrissen und Er wird uns heilen, Er hat geschlagen und wird uns verbinden", oder in Jakobus 4, 9—10: "Seid nieder­gebeugt und trauert und weint; euer Lachen verwandle sich in Traurigkeit und eure Freude in Niedergeschlagenheit. Demütigt euch vor dem Herrn, und Er wird euch erhöhen." "Wer weiß? Er möchte umkehren und es sich gereuen lassen und Er möchte Segen hinter sich zurücklassen: Speisopfer und Trankopfer für Jahwe, euren Gott" (Joel 2, 14). Speisopfer und Trankopfer hat­ten aufgehört im Haus Gottes, seitdem Seine vorlaufenden Ge­richte über das Volk niedergegangen waren (Kap. 1, 9. 13). Viel­leicht werden sie dieselben jetzt wiederfinden, wenn sie Buße tun. In der Tat lesen wir (Jes. 66, 20, vgl. auch Jes. 18, 7), dass dies der Fall sein wird am Ende der Zeiten, wenn der Überrest Israels zu Jahwe umgekehrt sein wird: "gleichwie die Kinder Is­rael das Speisopfer in einem reinen Gefäß zum Haus Jahwes bringen". Dann wird das Speisopfer und Trankopfer der Überrest selber sein, Gott dargebracht als Ihm gehörig und für Ihn be­stimmt. Jedoch muss diese Buße, um wirksam zu sein, eine inner­liche und nicht nur äußerliche sein: "Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider" (Vers 13, vgl. Sach. 12, 10—14).

So stimmen alle Teile der Weissagung überein, um zu zeigen, dass die zukünftige Segnung der Juden von der mit wahrhafter Buße verbundenen Umkehr zu Gott, den sie beleidigt haben, abhängt. Der erste laute Ruf der Posaune, um das Volk ins Gedächtnis vor Gott zu bringen, als der Assyrer mit seinem Heer, Jahwes Rute, Jerusalem überfiel, war nicht gehört worden (2, 1); diese Verhärtung hatte zur Folge, wie wir gesehen haben, dass der König des Nordens die Stadt einnahm, wie es Sacharja in so schlagender Weise berichtet und wovon unser Kapitel auch redet. Wird Jerusalem nun nach diesem Unglück auf den Appell des Gottes aller Gnade hören? Er ruft allen zu: "Kehrt um zu Jahwe, eurem Gott; denn Er ist gnädig und barmherzig, langsam zum Zorn und groß an Güte, und lässt sich des Übels gereuen" (Vers 13). Er gebraucht hier die Ausdrücke, wie wir sie in 2. Mose 34, 6—7 finden, denn man darf nicht vergessen, dass das Volk, bzw. die Treuen des Überrestes, noch immer unter dem Bund des Gesetzes stehen. Der Prophet fügt aber hinzu: "Er lässt sich des Übels gereuen". Beim geringsten Zeichen der Buße kehrt Gott um und lässt es sich gereuen, ändert Seine Bestimmungen in diesem Vertrag, den die zwei Parteien, Gott und Israel, eingegangen sind. Der neue Bund, für den Gott allein die Verantwortung übernommen hat, wird nur von Seiner Gnade abhängig sein, allerdings wird er erst dann zur Geltung kommen, wenn der Geist Gottes im Herzen Israels eine wahre und aufrichtige Buße hervorgebracht haben wird.

Die Verse 15—17 sind die Antwort auf die Einladung von Vers 12—14. Unter dem Druck des Feindes, der Jerusalem ver­heert hat, ist der dringende Ruf zur Buße gehört worden. Nichts Geringeres als dieses letzte Unglück war nötig, um das Gewissen Judas zu erreichen. "Stoßt in die Posaune auf Zion, heiligt ein Fasten, ruft eine Festversammlung aus!" Hier soll die Posaune nicht mehr Lärm blasen, denn es handelt sich nicht darum, gegen den Feind, der das Volk im Land bedrückt, Front zu machen, sondern um das Volk zu versammeln. "Um die Gemeinde zu ver­sammeln, sollt ihr "hineinstoßen" und nicht "Lärm blasen". Und die Söhne Aarons, die Priester, sollen "in die Trompeten stoßen" (4. Mose 10, 7—8). Diese Versammlung hat noch nicht den Cha­rakter, den sie im Tausendjährigen Reich haben wird — von "der großen Versammlung" ist gesagt: "Und an euern Freudentagen und an euren Festen und an euren Neumonden, da sollt ihr in die Trompeten stoßen bei euren Brandopfern und bei euren Friedens­opfern; und sie sollen euch zum Gedächtnis sein vor eurem Gott" (4. Mose 10,10) — aber sie ist eine prophetische Vorschau der end­gültigen Sammlung, die ohne diese nicht zustande kommen kann. Dies ist eine Versammlung von einigen wenigen, diejenige des gläubigen Überrestes, der sich in ernster, aufrichtiger Buße, in Demütigung und unter Tränen in Jerusalem zusammenfindet.

Verhält es sich nicht ganz ebenso für die Gemeinde unserer gegenwärtigen Tage? Die nationale Demütigung findet heute kei­nen wirklichen Widerhall trotz des Unglücks, das über die Völker gekommen ist, wie wir sie in Juda finden, das aufgerufen war, "ein Fasten zu heiligen" bei Gelegenheit der Heuschreckenplage (Kap. 1, 14). Die Buße ist das Teil Einiger, die der Herr ver­siegelt hat und "die seufzen und wehklagen" inmitten einer aufrührerischen Welt. Es geht um eine wahrhafte und nicht bloß äußerliche Buße, eine Buße, bei der die Treuen im Volk "ihre Herzen und nicht ihre Kleider zerreißen" (Vers 13). Der Verfall der Kirche, das endliche Gericht über die Christenheit, die Be­schämung darüber, zu diesem Zustand beigetragen und den Na­men des Christus verunehrt zu haben, bewirkt die Buße in den Herzen einer kleinen Schar, die in diesem Geist die Ver­sammlung darstellt. Der arme Überrest aus Israel wird das zu­künftige Jerusalem bilden und den Kern des irdischen Israel des Tausendjährigen Reiches ausmachen, ebenso wie der christliche Überrest von heute die große himmlische Versammlung darstellt. Jedoch ist die Demütigung Jerusalems doch in mehr als einem Punkt verschieden von der unsrigen. Zuerst wird die Buße nicht durch die Voranzeige noch zukünftiger Gerichte herbeigeführt, sondern durch den großen und sehr schrecklichen Tag Jahwes, den die Treuen ebenso wie das abtrünnige Volk durchmachen müssen, während die unsrige "vor dem kommenden Zorn" statt­finden wird. Sodann wird jene unter der Gewissenserkenntnis, dass die Verbindung des Volkes mit Gott unterbrochen ist, statt­finden, während für uns auch dann, wenn die Sünde unsere Ge­meinschaft mit Gott unterbricht, doch die Verbindung mit Ihm niemals unterbrochen werden kann, da sie auf dem vollkommenen Werk des Christus beruht.

Wie ernst wird diese zukünftige Szene sein! "Versammelt das Volk, heiligt eine Versammlung, bringet die Ältesten zusam­men . . . versammelt die Kinder . . , der Bräutigam trete aus sei­ner Kammer, und die Braut aus ihrem Gemach" (Vers 16). Alle Klassen des Volkes sind zur Buße aufgerufen, selbst die Kinder müssen die Last der Schuld des Volkes tragen; vom Größten bis zum Kleinsten ist keiner ausgenommen. Die intimsten Familien­freuden müssen verlassen werden, um das Fasten zu feiern. Alle bürgerlichen und religiösen Autoritäten müssen teilnehmen: "Die Priester, die Diener Jahwes, sollen weinen zwischen der Halle und dem Altar". Sie werden nicht einmal wagen, vor dem Altar zu stehen. Haben sie nicht das Lamm Gottes verworfen und ge­kreuzigt, das allein sie mit Gott zu versöhnen vermochte? Sie sagen: "Schone, Jahwe, Deines Volkes und gib nicht Dein Erb­teil der Schmähung hin, dass sie den Nationen zur Spottrede seien! Warum soll man unter den Völkern sagen: Wo ist ihr Gott?" Hier sieht man, wie sie trotz allem und in einer Zeit, wo sie noch unter dem Urteil des "Lo-Ammi" ( = nicht Mein Volk) stehen, doch daran festhalten, zu sagen: "Dein Volk". Dies ist wirklich Glaube, der den Überrest kennzeichnet, der hier redet und der, wäh­rend er durchaus an sich selber zweifelt, doch niemals an der Treue Gottes in Bezug auf Seine Verheißungen gezweifelt hat. Wie oft werden die Worte: "Wo ist ihr Gott?" in den Ohren des unter den Nationen flüchtigen Überrests ertönen! Es wird dies besonders während der durch das Tier und den falschen Propheten hervorgerufenen Verfolgung, wie es in den Psalmen zu sehen ist (Psalm 42, 3. 10; 79, 10; 115, 2), der Fall sein; jetzt ertönen sie in den Ohren des in Jerusalem gebliebenen Überrests. O, wie werden diese Worte die bußfertigen Herzen der Treuen bren­nend durchdringen! Sind es nicht die gleichen Worte, die ihre Väter einst gegen den Messias, als Er für Israel starb, ausge­rufen haben: "Er vertraute auf Gott, Der errette Ihn jetzt, wenn Er Ihn begehrt; denn Er sagte: "Ich bin Gottes Sohn!'" (Matth. 27, 43).

Was war das Fasten zur Zeit der Heuschreckenplage im Ver­gleich zum gegenwärtigen Fasten? Eine vorübergehende Zerknir­schung des Herzens, selbst dann, wenn es sich erwahrt hätte, dass Jerusalem dem Aufruf: "Heiligt ein Fasten!" Folge geleistet hätte. Denn, wie wir gesehen haben, hat damals ein Einziger geantwor­tet: "Zu Dir, Jahwe, rufe ich!" (1, 19). Jetzt aber ist die Demü­tigung aufrichtig, die Buße vollständig. Dies ist die große Weh­klage Jerusalems, von der der Prophet Sacharja redet (12, 10—14). Gesegnete Sache, diese Demütigung! Sie lässt uns das Angesicht Gottes wiederfinden! Und doch- wie viele Jahrhunderte lang hat Jahwe darauf gewartet, umsonst gewartet, dass dieses widerspenstige Volk Buße tun würde. Hat es sich gedemütigt über seinen Götzendienst? Hat es sich gedemütigt, dass es den Sohn Gottes, seinen Messias, ans Kreuz genagelt hat? Ach, wie sehr ist das Herz des Menschen, unser aller Herz, doch aufrüh­rerisch, widerspenstig, hochmütig und vom eigenen Willen be­herrscht. Sind alle diese Dinge, die in der Geschichte Israels dargestellt werden, nicht zu unserer Unterweisung berichtet? Sind wir, wenn uns das Gewissen, dieser unerbittliche Beurteiler, sagt, dass wir gesündigt haben, bereit, es anzuerkennen? Oder sind wir nicht vielmehr wie Adam bereit, uns zu entschuldigen, als ob Entschuldigungen uns weiß waschen könnten? Wir entschuldigen unsern Weltsinn, unsere Lauheit, unsere Feigheit, unsern Mangel an Tätigkeit für die Sache des Christus und das letzte, woran wir denken, ist, "das Fasten zu heiligen". Es geschieht mehr als ein Mal, dass wir ähnlich wie David irgend einen verborgenen Fehler bei uns behalten und die Stimme des Gewissens ersticken, wenn sie sich regen will, indem wir vergessen, dass Gott alles gesehen hat, bis endlich der "große und schreckliche Tag Jahwes" kommt, der Tag, an dem alles bloß und aufgedeckt wird, und der Schul­dige endlich ausruft: "Ich habe gegen den Herrn gesündigt!".

Ja, die Demütigung ist eine sehr ernste und schmerzliche Sache. Sie ist das Messer des Wundarztes, das an die nicht ge­töteten Glieder gelegt wird, die natürlich aufschreien, wenn das Instrument das lebendige Fleisch berührt. Aber wie wertvoll und kostbar ist die Demütigung! "Bevor ich gedemütigt wurde, irrte ich", sagt der Psalmist. "Es ist gut für mich, dass ich gedemütigt wurde" (Psalm 119, 67. 71).

Der Segen wird nicht auf sich warten lassen; man kann sehen, wie er sich sofort zeigt! Wenn wir das gewusst hätten, wie wären wir wohl schnell bereit gewesen, unsere Stirn in den Staub zu beugen, unsere Sünden vor dem Vater zu bekennen, der treu und gerecht ist, zu vergeben und uns von aller Ungerechtigkeit zu reinigen! Wie herzbewegend ist nun die augenblickliche Antwort Gottes nach den vielen Jahrhunderten der Verhärtung dieses Vol­kes, das seinen Erlöser und König verworfen hatte! "Dann eifert Jahwe für Sein Land, und Er hat Mitleid mit Seinem Volk. Und Jahwe antwortet und spricht zu Seinem Volk: Siehe, Ich sende euch das Korn und den Most und das Öl, dass ihr davon satt werdet; und Ich werde euch nicht mehr zum Hohn machen unter den Nationen" (Verse 18—19). "Schone, Jahwe, Deines Volkes", hatte der Überrest gesagt (Vers 17), indem er an die frühere Ver­bindung zwischen Gott und ihm erinnert, während er noch unter dem Urteil des "Lo-Ammi" war und der große und schreckliche Tag Jahwes über ihn gekommen war. Sogleich antwortet Gott Seinem Volk. Das Urteil wird aufgehoben und für immer besei­tigt, die Verbindungen mit Gott wieder hergestellt und alle irdi­schen Segnungen finden sich wieder, denn es handelt sich hier um das irdische Bundesvolk Gottes. "An dem Ort, wo zu ihnen gesagt wurde: Ihr seid nicht Mein Volk, wird zu ihnen gesagt werden: ,Kinder des lebendigen Gottes'" (Hosea 1, 10). Korn, Most und Öl, Speisopfer und Trankopfer, die bei den vorberei­tenden Gerichten weggenommen worden waren, werden wieder das Teil des Volkes sein, das davon gesättigt sein wird. Das Haus Jahwes, das während einer halben Jahrwoche "ohne Opfer und Speiopfer war", wird wieder offen stehen (Daniel 9, 27); der Treue kann sich Gott in Seinem Tempel nahen und ist nicht mehr "zum Hohn unter den Nationen", die sagen: "Wo ist ihr Gott?" (Verse 17, 19).

Was aber wird Jahwe mit dem Assyrer tun, dieser Rute Seines Zornes, die das Land Israel verheert und sich sogar der Heili­gen Stadt bemächtigt hat? "Ich werde den von Norden Kommen­den von euch entfernen und ihn in ein dürres und wüstes Land vertreiben, seinen Vortrab in das vordere Meer und seinen Nach­trab in das hintere Meer; und sein Gestank wird aufsteigen, und aufsteigen sein übler Geruch, weil er Grosses getan hat" (Vers 20).

Dieses Ereignis, von dem das Gericht über Sanherib zur Zeit Hiskias nur ein schwaches Vorbild ist (2. Könige 19, 35; 2. Chron. 32, 21), wird von den Propheten, die uns das Gericht über den zukünftigen Assyrer kundtun, immer wieder erwähnt. So Je­saja 10, 24—27: "Darum spricht der Herr, Jahwe der Heerscharen, also: .Fürchte dich nicht, Mein Volk, das in Zion wohnt, vor Assur, wenn er dich mit dem Stock schlagen und seinen Stab wider dich erheben wird nach der Weise Ägyptens! Denn noch um ein gar Kleines, so wird der Grimm zu Ende sein und Mein Zorn sich wenden zu ihrer Vernichtung. Und Jahwe der Heerscharen wird über ihn die Geißel schwingen wie in der Niederlage Midians am Felsen Oreb; und Sein Stab wird über das Meer sein, und Er wird ihn erheben, wie Er ihn über Ägypten erhob. Und es wird ge­schehen an jenem Tag, dass seine Last weichen wird von deiner Schulter und sein Joch von deinem Halse; und das Joch wird ge­sprengt werden infolge des Fettes'." Ebenso Jesaja 14, 24—25: "Wahrlich! Wie Ich es vorbedacht, also geschieht es; und wie Ich es beschlossen habe, also wird es zustande kommen: dass Ich Assyrien in Meinem Land zerschmettern und es auf Meinem Berg zertreten werde. Und so wird sein Joch von ihnen weichen, und seine Last wird weichen von ihrer Schulter." Und Hesekiel sagt von Gog, dem Assyrer: "Du wirst von deinem Ort kommen, vom äußersten Norden her, du und viele Völker mit dir, auf Rossen reitend allesamt, eine große Schar und ein zahlreiches Heer. Und du wirst wider Mein Volk Israel hinaufziehen wie eine Wolke, um das Land zu bedecken. Am Ende der Tage wird es geschehen." "Und Ich werde nach allen Meinen Bergen hin das Schwert über ihn herbeirufen, spricht der Herr Jahwe; das Schwert des einen wird wider den anderen sein. Und Ich werde Gericht an ihm üben durch die Pest und durch Blut; und einen überschwemmenden Regen und Hagelsteine, Feuer und Schwefel werde Ich regnen lassen auf ihn und seine Haufen und auf die vielen Völker, die mit ihm sind" (Hes. 38, 15—16, 21—22). Derselbe Prophet sagt auch: "Siehe, Ich will an dich, Gog . . . Und ich werde dich herumlen­ken und dich herbeiführen und dich heraufziehen lassen vom äußersten Norden her und dich auf die Berge Israels bringen. Und Ich werde dir den Bogen aus deiner linken Hand schlagen und deine Pfeile aus deiner rechten Hand werfen. Auf den Bergen Israels wirst du fallen, du und alle deine Haufen und die Völker, die mit dir sind; den Raubvögeln allerlei Gefieders und den Tieren des Feldes habe ich dich zur Speise gegeben; auf dem freien Feld sollst du fallen. Denn Ich habe geredet, spricht der Herr, Jahwe" (Hes. 39, 2—5). "Siehe, es kommt und wird geschehen, spricht der Herr Jahwe; das ist der Tag, von dem Ich geredet habe" (Hes. 39, 8). Ebenso auch Daniel: "Und der König des Nordens wird gegen ihn anstürmen mit Wagen und mit Reitern und mit vielen Schiffen; und er wird in die Länder eindringen und sie überschwemmen und überfluten. Und er wird in das Land der Zierde eindringen, und viele Länder werden zu Fall kommen; diese aber werden seiner Hand entrinnen: Edom und Moab und die Vornehmsten der Kinder Ammon. Und er wird seine Hände an die Länder legen, und das Land Ägypten wird nicht entrinnen; und er wird die Schätze an Gold und Silber und alle Kostbar­keiten Ägyptens in seine Gewalt bringen, und Libyer und Äthiopier werden in seinem Gefolge sein. Aber Gerüchte von Osten und von Norden her werden ihn erschrecken; und er wird aus­ziehen in großem Grimm, um viele zu vernichten und zu ver­tilgen. Und er wird sein Palastzelt aufrichten zwischen dem Meer und dem Berg der heiligen Zierde. Und er wird zu seinem Ende kommen, und niemand wird ihm helfen" (Daniel 11, 40—45). Er­wähnen wir zum Schluss noch Micha 5, 5: "Und er wird uns von Assyrien erretten, wenn es in unser Land kommen, und wenn es in unsere Grenzen treten wird".

Somit wird der "der von Norden kommt", der Assyrer [7] , nachdem er zuerst Jerusalem überrumpelt hat und weitergezogen ist, um Ägypten zu überrennen, gegen die Stadt und das "Land der Zierde" (Palästina) zurückkommen und dort durch die unmittel­bare Dazwischenkunft des Herrn vernichtet werden: "Ich werde den von Norden Kommenden von euch entfernen". Dann, und erst dann, wird die endgültige Befreiung Jerusalems erfolgen, die ein erstes Mal geschichtlich und als Vorbild unter Hiskia teilweise geschah, als ein Engel des Herrn 185000 Mann im Lager Sanheribs, des Königs von Assyrien, schlug, der Jerusalem bela­gerte, aber nicht einnahm. Dieser Feind wird "in ein dürres und wüstes Land (die Wüste Juda?) vertrieben werden, sein Vortrab in das vordere Meer (das Tote Meer) und sein Nachtrab in das hin­tere Meer (das Mittelmeer)". Die Leichname dieser großen Menge werden den Boden bedecken und "ihr Gestank wird aufsteigen und aufsteigen ihr übler Geruch". (Eine neue Anspielung auf das Heuschreckenheer, dessen Gestank die Luft verpestet.) Es wird eine plötzliche und schreckliche Vernichtung über diesen letzten Feind Israels kommen, "weil er Großes getan hat" (Vers 20). Gott allein wird es zustande bringen: "Fürchte dich nicht, Erde; froh­locke und freue dich! denn Jahwe tut Großes" (Vers 21). In der Tat wird der Hochmut des Menschen, der der Zertretung vor­angeht, sein Hass gegen Gott und Sein Volk, das Böse, Plünderung und Zerstörung, alles das wird zunichte gemacht werden, sobald Gott sich aufmacht, um einzugreifen. Gott tut große Dinge! Wenn Seine Gerichte schwer sind, wenn "Sein Tag groß und sehr schrecklich ist, wenn der Assyrer, durch den Er Sein Volk züch­tigt, Seine große Armee" ist (Vers 25), dann sind Seine Barm­herzigkeit, Seine Gnade und Seine Befreiung noch viel größer. Die Größe Seines göttlichen Wesens besteht darin, dass Er Seine Rettungen direkt aus Seinen Gerichten hervorgehen lässt. Er ist vor allem darin groß, dass Er Wesenszüge, die mit dem Geist des Menschen völlig unvereinbar sind, Seine Gerechtigkeit und Seine Gnade, Seine Heiligkeit und Seine Liebe, miteinander zu verbinden vermag. Ja, der Herr wird große Dinge für Israel tun, es wird dies beim Aufgang der Regierung des Messias erkennen; aber, Sein Name sei gelobt, diese Dinge sind für uns längst be­reitet, ohne dass es uns etwas kostet, und ohne dass wir zuerst den Tag der großen Drangsal durchschreiten müssen, um Seine Barmherzigkeit kennen zu lernen! Auf Golgatha, wo das Gericht über unseren Stellvertreter gegangen ist, hat Gott, indem Er Sei­nen eigenen Sohn dahingab, Seinen Hass gegen die Sünde und Seine Liebe gegen den Sünder sich küssen lassen (Psalm 85, 10).

"Fürchtet euch nicht, ihr Tiere des Feldes! denn es grünen die Auen der Steppe; denn der Baum trägt seine Frucht, der Feigen­baum und der Weinstock geben ihren Ertrag" (Vers 22). infolge der Niederlage des Assyrers werden alle Plagen, die auf das Land gekommen sind, verschwinden. Die Erde wird wieder grün werden, die Felder mit reicher Ernte gesegnet sein, der Weinstock und der Feigenbaum — Glücksbilder von Israel — werden ihre Frucht tragen. Die Speisopfer und Trankopfer werden Jahwe wieder dargebracht werden können. Dieselben Verheißungen finden sich auch in Hesekiel 36, 29—30: "Und Ich werde das Ge­treide herbeirufen und es mehren und keine Hungersnot auf euch bringen; und Ich werde die Frucht des Baumes und den Ertrag des Feldes mehren, auf dass ihr nicht mehr den Schimpf einer Hungersnot tragt unter den Nationen".

"Und Ich werde euch die Jahre erstatten, die die Heu­schrecke, der Abfresser, und der Vertilger und der Nager gefres­sen haben — mein großes Heer, das Ich unter euch gesandt habe (Vers 25). Das Land wird wieder gesegnet und vor aller Bedräng­nis geschützt sein, die Gott in den Tagen der Untreue und der Verhärtung über Sein Volk kommen lassen musste [8] .

Die Zeit des Friedens, die die Schöpfung unter der Herr­schaft des Messias genießen wird, ist nicht von nebensächlicher Bedeutung und sollte unsere Herzen mit Freude und Hoffnung er­füllen: "Auch die Schöpfung selbst wird freigemacht werden von der Knechtschaft des Verderbnisses zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung zusammen seufzt und zusammen in Geburtswehen liegt bis jetzt" (Römer 8, 21—22).

"Und ihr, Kinder Zions, frohlockt und freut euch in Jahwe, eurem Gott! denn Er gibt euch den Frühregen nach rechtem Maß, und Er lässt euch Regen herabkommen; Frühregen und Spätregen wie zuvor." Es handelt sich hier um rein zeitliche Segnungen; den ersten Regen, der auf die Aussaat im Oktober folgt, und den zweiten im März, infolge dessen das im Oktober gesäte Korn eine reiche Ernte verspricht. Es ist aber zu beachten, dass der Segen des Regens, durch den Ernte und Weinlese gesichert werden, an die Gegenwart des Herrn, des Messias, des Königs, inmitten des Volkes gebunden ist. "Sein Hervortreten ist sicher wie die Morgendämmerung; und Er wird für uns kommen wie der Regen, wie der Spätregen die Erde benetzt" (Hosea 6, 3). "Im Licht des Angesichts des Königs ist Leben, und Sein Wohl­gefallen ist wie eine Wolke des Spätregens" (Sprüche 16, 15) [9] . Dann wird der Herr Seine Beziehungen zu Seinem einst "Lo-Ammi" genannten Volk wieder öffentlich aufnehmen und anerkennen; dann wird auch das Volk selbst sich freuen im Namen seines Gottes: "Ihr werdet den Namen Jahwes, eures Gottes, preisen, Der Wunderbares an euch getan hat, und Mein Volk soll nimmermehr beschämt werden. Und ihr werdet wissen, dass Ich in Israels Mitte bin, und dass Ich, Jahwe, euer Gott bin, und keiner sonst. Und Mein Volk soll nimmermehr beschämt werden" (Verse 26—27). Alle Beschämung wird vergangen sein (vgl. Kap. 1, 10—12); der Herr der Herrlichkeit wird Seinen Platz in­ mitten Seines Volkes einnehmen. Damit schließt dieser Teil des Buches Joel.


[4] Anmerkung des Übersetzers (1946): Zu diesem wie schon bemerkt im Jahre 1914—15 geschriebenen Ausführungen des längst heimgegangenen Verfassers gibt die heutige russische Politik eine höchst bedeutsame Bestä­tigung. Die immer größer werdende Allgewalt Russlands, die Tendenz, seine Nachbarstaaten — so ziemlich eben die in Hesekiel 38—39 ange­führten Völker — unter seine Botmäßigkeit zu bringen, sein Vordringen im fernen Osten und besonders in der Richtung Palästinas usw., alles trägt deutlich das Gepräge jener Stellen der Heiligen Schrift, welche die Ent­wicklung zum Gog und Magog voraussagen. Dies muss folgerichtig auch zum Auftauchen des Römischen Weltreiches und zu den Endauseinander­setzungen führen. Jede einzelne Weissagung findet heute ihre Bestätigung.

[5] Über den Assyrer siehe ferner: Jes. 5, 26—27; 7, 18—25; 10, 12; 14, 24; Hes. 31, 12; Micha 5, 5; Nahum 3; und über den König des Nordens: Daniel 8, 21—24; 11, 40—45; Joel 2, 20.

[6] Nur bei einer einzigen Gelegenheit zeichnet das Wort unter diesem Bild einen südlichen Feind, dies in völliger Übereinstimmung mit der Herkunft der Heuschrecken, welche fast ausschließlich aus dem Süden und Osten kommen, nämlich in Richter 6, 5, wo Midian, Amalek und die Söhne des Ostens zahlreich wie die Heuschrecken über Israel herfallen. In allen übrigen Stellen wird dieses Bild für den Feind aus Norden kommend ge­braucht. z.B. Jer. 46, 20. 23; 51, 14. 27.

[7] Wir wiederholen: "Der König des Nordens" oder "Der von Norden kommt" ist nicht Nebukadnezar, wiewohl Chaldäa und die benachbarten Länder oftmals "der Norden" genannt werden.

[8] Anmerkung des Übersetzers: Die Schrecken des zweiten Weltkrieges, die ungeheuren Land- und Städtezerstörungen, die furchtbaren Nöte der Nach­kriegszeit, geben uns eine deutliche Vorahnung von der Entwicklung auf diesem Gebiet, woraus die Schrecken der Endzeit, die alles bisherige noch weit über­treffen werden, erkennbar werden.

[9] Über den Regen siehe auch 5. Mose 11,14; Psalm 84,6; 2. Sam. 23,4; Jer 5,24; Sach 10,1.