KAPITEL 4, 17 - KAPITEL 6

In Verbindung mit der Lehre unseres Briefes wendet sich der Apostel nun dem Wandel des Christen zu. Die Ermahnung am Anfang dieses Kapitels und die Ausführungen der Verse 1 bis 16 stehen im Zusammenhang mit der Lehre von der Einheit der Gemeinde. Sie haben Bezug auf das Verhalten der Kinder Gottes unter sich als Glieder des einen Leibes, dessen Haupt der Christus ist. Sie entfalten auch die gottgemäße Grundlage des christlichen Dienstes. Im 17. Vers beginnt nun der Apostel über die Einzelheiten des christlichen Wandels zu sprechen.

Die erste Ermahnung ist, dass wir, Christen, nicht wie die übrigen Nationen (Heiden) vorangehen sollen, die in der Eitelkeit ihres Sinnes wandeln. Der Heilige Geist warnt uns hier vor einem Wandel in Gleichförmigkeit mit der Welt, die uns umgibt. Im ersten Augenblick mögen uns diese Ermahnungen unnötig und sonderbar erscheinen. Wir müssen aber vor allem bedenken, daß die Epheser, an welche der Apostel schrieb, aus dem finsteren Heidentum herausgerissen worden waren. Zwischen dem Heidentum und der bekennenden Christenheit besteht der Unterschied, daß das erstere sich in dichter Finsternis befindet, während in der Christenheit das Licht des Wortes Gottes leuchtet, wenn es auch von vielen verachtet und gemieden wird. Man tut nicht ohne weiteres im Lichte, was man in der Finsternis täte. Dann müssen wir nie vergessen, daß das natürliche Menschenherz immer und überall dasselbe bleibt. All das Geschehen der hinter uns liegenden Zeit hat dies in erschreckender Weise bestätigt. So erkennen wir die Notwendigkeit der uns hier gegebenen Ermahnungen. Zudem sind auch wir nur allzu sehr geneigt, uns von den Meinungen und Ansichten der Welt fortreißen zu lassen. Sobald wir im Glaubenspfad nachlässig werden, hat die Welt mehr Einfluss auf unsere Herzen.

Wir stehen dann in Gefahr, mehr oder weniger nach ihren Grundsätzen zu handeln. „Dieses nun sage und bezeuge ich im Herrn, daß ihr forthin nicht wandelt, wie auch die übrigen Nationen wandeln, in Eitelkeit ihres Sinnes, verfinstert am Verstande, entfremdet dem Leben Gottes wegen der Unwissenheit, die in ihnen ist, wegen der Verstockung ihres Herzens“ (Verse 17, 18). Der Apostel berührt hier die Wurzel des verwerflichen Wandels der Heiden. Ihr Sinnen und Trachten ist eitel, wie es bei jedem der Fall ist, der Gott nicht kennt. Und was war die Frucht? Sie waren „verfinstert am Verstande, entfremdet dem Leben Gottes wegen der Unwissenheit, die in ihnen war, wegen der Verstockung ihres Herzens, und, da sie alle Empfindung verloren, gaben sie sich selbst der Ausschweifung bin, alle Unreinigkeit mit Gier auszuüben“ (Vers 18, 19). Kein Wunder, denn sie kannten den Sohn Gottes nicht, in welchem allein das Leben zu finden ist.

„Ihr aber habt den Christus nicht also gelernt“ (Vers 20). Obschon wir in Gefahr sind, durch die uns umringende Welt mitfortgerissen zu werden, wissen wir sehr gut, daß wir dort nichts mehr zu tun haben. Wir haben den Christus nicht also kennen gelernt, wenn wir von Ihm gehört haben und in Ihm unterrichtet worden sind. Wir kennen die Wahrheit, die in Jesus ist, und darum wissen wir, daß uns ein heiliger Wandel geziemt. Diese Wahrheit lautet: „ Dass ihr, was den frühern Lebenswandel betrifft, abgelegt habt den alten Menschen, der nach den betrügerischen Lüsten verdorben wird, aber erneuert werdet in dem Geiste eurer Gesinnung und angezogen habt den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Vers 22-24).

Am Kreuz hat Christus unser ganzes Elend auf sich genommen und den alten Menschen zunichte gemacht. Unser alter Mensch ist mit Ihm gekreuzigt; wir sind mit Ihm gestorben (Römer 6). Doch wir sind in der Auferstehung mit Ihm vereinigt und im Geiste unserer Gesinnung erneuert und haben den neuen Menschen angezogen. Christus ist der zweite Mensch, der letzte Adam; Er ist das Haupt der neuen Schöpfung. Nachdem wir mit Ihm gestorben sind, werden wir eins mit Ihm in Seiner Auferstehung, so daß wir sagen können: Das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden. Wir stehen nicht mehr als die alten Menschen, sondern als neue Geschöpfe in Christus Jesus vor Gott. Auf diese Wahrheit stützt sich unser Wandel. Wie herrlich für uns, dies zu verstehen! Es ist nicht mehr das „ tue das und du wirst leben“; sondern wir empfangen das Leben, das ewige Leben, Christus selber; wir sind von Sünde und Tod erlöst und neue Geschöpfe in Christus geworden; wir sind der göttlichen Natur teilhaftig; und darum können wir durch die Kraft dieses neuen Lebens Früchte des Lebens hervorbringen. Wir brauchen nichts mehr zu tun; alles ist für uns vollbracht, und wir sind so ,angenehm vor Gott wie Christus selber. Und was den Wandel betrifft, so ist das Leben des Christus unsere Kraft; in Ihm ist uns alles gegeben, was zum Leben und zur Gottseligkeit gehört. Welch ernster Beweggrund, um Gott zu verherrlichen und die weltlichen Grundsätze zu verleugnen! Christus ist für uns gestorben, und wir sollten noch der Sünde dienen? Wir sind mit Christus gestorben; sollten wir dann noch der Welt dienen? Wir sind neue Geschöpfe in Christus Jesus; sollten wir uns nicht als solche offenbaren? Sicherlich gibt es keine mächtigere Triebfeder zu einem heiligen Wandel als das Verstehen unserer Stellung in Christus. Und darum wird überall im Neuen Testament unsere Stellung in Christus zur Grundlage für die Ermahnungen zu einem heiligen Wandel gemacht. So auch hier. Der Apostel sagt, daß die Gläubigen den neuen Menschen angezogen haben, der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit. Gerechtigkeit ist das, was auf allen Gebieten vor Gott recht und angenehm ist. So sprach der Herr Jesus, als Er kam, um sich von Johannes taufen zu lassen und dieser ihm wehrte: „Laß es jetzt so sein; denn also gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen“, d. h. alles zu tun, was vor Gott recht und angenehm war. Die Gerechtigkeit führt uns zum wahren Verständnis und zur Befolgung unserer Verpflichtungen als Kinder Gottes vor Gott.

Heiligkeit ist das Verwerfen in Herz und Wandel alles dessen, was nicht in Übereinstimmung mit der Natur Gottes ist. Was Er haßt, sollen auch wir hassen. In dieser Gerechtigkeit und Heiligkeit ist der neue Mensch nach Gott geschaffen. Der neue Mensch, der Mensch in Christus“ ist der göttlichen Natur teilhaftig; und Gott ist heilig und gerecht. Das ist ein Zustand, ganz und gar verschieden von dem Adams vor dem Fall. Adam war rein und unschuldig; er kannte die Sünde nicht; er hatte keinen Begriff vom Unterschied zwischen Gut und Böse. Diese Erkenntnis erhielt er erst nach dem Fall. Gott sagte: „Der Mensch ist geworden wie unser einer, zu erkennen Gutes und Böses.“ Das ist das Gewissen. Vor dem Fall hatte der Mensch kein Gewissen; nach dem Fall besaß er es als Beweis, daß er gefallen war. Adam war also nicht geschaffen in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit. Obschon Gott in Seine Nase den Odem des Lebens eingehaucht hatte, war er von der Erde vom Staub, also irdisch (l. Kor. 15, 47) und keineswegs der göttlichen Natur teilhaftig. Der Gläubige ist deshalb nicht in den Zustand Adams vor dem Fall zurückgebracht, sondern ist in Christus eine neue Schöpfung geworden. Er hat ein Leben, das nie angetastet werden wird, das er nie verlieren kann; denn er hat das ewige Leben- Christus selber. Damit ist auch der Gläubige der göttlichen Natur teilhaftig; er ist nach Gott geschaffen in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit.

Weil wir den alten Menschen abgelegt und den neuen angezogen haben, hören wir nun die Ermahnung: „Deshalb, da ihr die Lüge abgelegt habt, redet Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, denn wir sind Glieder von einander“ (Vers 25). Viele Gläubige denken, die Mitverbundenheit der Kinder Gottes mit dem Herrn als Haupt und unter sich zu einem Leibe sei „eine Lehre oder eine schöne und hehre Tatsache, habe aber wenig oder nichts mit unserm praktischen Wandel zu tun. Unser Vers zeigt uns mit manchen andern, daß sie tief in unser praktisches Leben hineingreift. Wir sind Glieder voneinander, darum müssen wir einander in Aufrichtigkeit begegnen, uns nicht anders zeigen, als wir wirklich sind. Der Herr will, daß wir wahr sind in unsern Handlungen, wahr in unsern Gesprächen, wahr in unserm Verhalten Ihm und den Menschen gegenüber.

In Vers 26 und 27 sagt der Apostel: „Zürnet, und sündiget nicht. Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn, und gebet nicht Raum dem Teufel.“ Das ist eine sehr wichtige Ermahnung für uns. Wir sehen vor allen Dingen, daß es einen Zorn gibt, der keine Sünde ist. Der Herr Jesus blickte auf die Juden umher mit Zorn (Markus 3, 5). Es darf und soll uns eine heilige Entrüstung sein, wenn wir z. B. den Namen Jesu lästern hören oder jemanden öf­fentlich gegen Gott sündigen sehen. Es ist sehr trau­rig, daß es Christen gibt, die alles unbeeindruckt und in Gleichgültigkeit anhören und ansehen können. Solche Dinge müssen sicherlich im Herzen eines jeden Jüngers des Herrn einen gottgemäßen Zorn hervorrufen. Doch, wenn wir rechtmäßig über die Sünde entrüstet sind, dann kommt so leicht Haß gegen den Sünder in unser Herz, und deshalb sagt der Apostel: „Die Sonne gehe nicht unter über eu­rem Zorn!“ Wenn der Zorn so lange anhält, ist es ein Beweis, daß die rechtmäßige Entrüstung sich in Bosheit oder Haß verwandelt hat. Und ist dies der Fall, dann hat der Teufel bei uns Raum gefun­den; darum folgt hier sogleich die Ermahnung: „Gebet nicht Raum dem Teufel“.

Die folgende Ermahnung wird uns vielleicht sonderbar vorkommen. Manche werden fragen, ob es nötig sei, Christen zu sagen: „Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr“ ? Ja , Geliebte, Gott kennt uns besser als wir uns selber kennen. Obschon keine Versammlung so gut und in solcher Blüte stand, wie die zu Ephesus, war diese Ermahnung doch notwendig. Das Fleisch bleibt Fleisch, und wenn der Christ die Gemeinschaft mit Gott verläßt, ist er zu allem imstande. Darum müssen wir jeden Tag in Gottes Gemeinschaft handeln, uns in der Gottesfurcht üben. Jeden Tag haben wir aufs neue Glauben nötig. Die Gemeinschaft und der Glaube von gestern können mir heute nichts nützen. „Wer gestohlen bat, stehle nicht mehr, sondern arbeite vielmehr und wirke mit seinen Händen das Gute, daß er dem Dürftigen mitzuteilen habe“ (Vers 28). Welch schöne Aufgabe! Welch erhabener Beweggrund für unser tägliches Werk! Der Heilige Geist öffnet vor dem, dessen Hände früher das Gut anderer entwendeten, einen glücklichen Weg, auf dem die Gnade ihre Kraft beweisen kann. Wer ein Dieb war, bevor er den Herrn kannte, kann nun Gemeinschaft haben mit dem Geist und Wandel des großen Apostels (Apg. 20, 33-35), ja, mit dem Meister selber, der gesagt hat: „Geben ist seliger als Nehmen.“ Der Christ sollte nicht in Selbstsucht arbeiten, sondern auch sein Herz dem Dürftigen zuwenden, und den Wunsch und Willen haben, wohlzutun und mitzuteilen. Welch herrliche Grundsätze offenbart uns das Evangelium! Möchten wir sie wirklich zur Ausübung bringen!

„Kein faules Wort lebe aus eurem Munde, sondern das irgend gut ist zur notwendigen Erbauung, daß es den Hörenden Gnade darreiche“ (Vers 29). Unsere Gespräche müssen das Ziel haben, andere zu erbauen und Gnade darzureichen; wenn wir nichts Rechtes zu sagen haben, ist es besser zu schweigen. Wieviel sündigen wir in dieser Hinsicht. Was ist der Gegenstand unserer Unterhaltung, wenn wir einander besuchen? Reden wir über die Fehler derer, die nicht anwesend sind, oder über die eiteln Dinge dieser Welt? Könnte der Herr Jesus persönlich in unserer Mitte gegenwärtig sein? Ist unser Ziel, zum Nutzen anderer zu leben und ihnen etwas Nützliches zu sagen? Laßt uns bedenken, daß „bei der Menge der Worte Übertretung nicht fehlt“ (Sprüche 10, 19), und daß „der Mund des Gerechten ein Born des Lebens ist“ (Sprüche 10, 11).

Die folgenden Ermahnungen haben eine sehr wichtige und herrliche Wahrheit als Grundlage. Der Heilige Geist wohnt in uns allen. In Kapitel 2,22 hat der Apostel gesagt, daß wir mitaufgebaut werden zu einer Behausung Gottes im Geiste, und darum ermahnt er uns in Kapitel 4, würdig der Berufung zu wandeln, mit der wir berufen worden sind. Aber es gibt auch eine persönliche Innewohnung des Heiligen Geistes. Wir sind durch den Geist versiegelt auf den Tag der Erlösung. Darum wird unser Leib verwandelt werden zur Gleichförmigkeit mit dem Leibe der Herrlichkeit des Christus. Der Geist, der in uns wohnt, ist die Quelle der Kraft, die den Gläubigen fähig macht zu allem, was Gott wohlgefällig ist. Durch, Ihn ist der Gläubige imstande, das Böse zu lassen, und das Gute zu tun. Der Heilige Geist kann aber nur dann in unsern Herzen wirksam sein, wenn wir uns von Ihm leiten lassen und Ihn durch keine Fehler betrüben. Darum sagt der Apostel: „Und betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes, durch welchen ihr versiegelt worden seid auf den Tag der Erlösung“ (Vers 30). Wenn wir Ihn nicht betrüben, wenn wir Ihn frei in uns wirken lassen, dann wird „alle Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und Lästerung von uns weggetan samt aller Bosheit“. Dann werden die Früchte des Geistes in uns offenbar; wir werden „gegeneinander gütig und mitleidig sein, einander vergebend, gleichwie auch -Gott in Christus uns vergeben bat“ (Vers 31, 32).

Es ist notwendig, hier auf den Unterschied hinzuweisen, der zwischen den Worten des Apostels Paulus hier und denen Davids in Psalm 51 besteht: „Nimm Deinen Heiligen Geist nicht von mir.“ Selbst wenn der Apostel vor dem Betrüben des Heiligen Geistes warnt, denkt er nicht daran, daß der Geist weggenommen werden könnte; Er versichert uns im Gegenteil, daß wir durch- Ihn versiegelt worden sind auf den Tag der Erlösung. Woher dieser Unterschied? Weil die Beziehung des Geistes zu den Gläubigen, nachdem Jesus gestorben, auferstanden und in den Himmel gefahren ist, eine ganz andere geworden ist. Zu jener Zeit wurde der Geist nicht gegeben, um für immer in den Gläubigen zu wohnen. Er kam nur für eine Zeitlang auf die Gottesmänner, wirkte in ihnen und durch sie. Er segnete sie und erfüllte sie mit Freude und Kraft. Eine Innewohnung, wie der Christ sie jetzt hat und kennt, war es aber nicht und konnte es nicht sein, bevor Christus verherrlicht war. Darum werden wir ermahnt, den Heiligen Geist nicht zu betrüben; aber niemals wird angenommen, daß Er uns verlassen könnte. Die Worte des Apostels zeigen uns auf der einen Seite die Gefahr des Sündigens wider den Heiligen Geist und daß wir Ihn betrüben könnten, und erst auf der anderen Seite die Sicherheit des Gläubigen, selbst unter solch traurigen Umständen. Er ist zu Gott gebracht, versöhnt, gewaschen, geheiligt, gerechtfertigt, er hat das ewige Leben und soll nicht verloren gehen; er ist versiegelt mit dem Heiligen Geist, und wer könnte dieses Siegel brechen? Sicherlich, Gott wird den Gläubigen, wenn er in Sünden fällt, züchtigen, selbst bis zum Tode; denn Er wird es weder mit der Sünde leicht nehmen, noch ihn mit der Welt verdammen. In voller Übereinstimmung mit diesem Wort ermahnt uns Petrus zu einem Wandel in heiligem Gehorsam: „Und wenn ihr Den als Vater anrufet, der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeden Werk, so wandelt die Zeit eurer Fremdlingschaft in Furcht“. Er ist zugleich, weit davon entfernt, unser Vertrauen zu erschüttern, denn er fährt fort, „indem ihr wisset, daß ihr nicht mit verweslichen Dingen, mit Silber oder Gold, erlöst worden seid . . ., sondern mit dem kostbaren Blute des Christus“ (1. Petrus 1, 17-19). Gebe der Herr, daß wir alle diese wichtigen Wahrheiten verstehen.