Die Fußwaschung (6. Brief)

Lieber ...,

reden wir also heute miteinander von der Bedeutung der Fußwaschung (Joh. 13). Sie zeigt uns sinnbildlich, wie Jesus Christus, unser Herr, als himmlischer Sachwalter für die Seinen, die noch in einer unreinen Welt leben, tätig ist.

Viele Christen sehen in der Fußwaschung leider nur einen Beweis der Demut unseres Herrn und Heilandes, der wir folgen sollen. Aber in der Fußwaschung liegt noch mehr als ein Akt und Beispiel der Demut des Herrn. Darum sagt Er während der Fußwaschung zu Petrus:

  1. "Was ich tue, weißt du jetzt nicht, du wirst es aber nachher verstehen." (Joh 13,7.)
  2. "Wenn ich dich nicht wasche, hast du kein Teil mit mir." (Joh 13,8.)

Dass der Herr hier in großer Demut handelte, indem Er diesen niedrigen Dienst eines Sklaven verrichtete, das erkannte Petrus schon gleich jetzt, nicht erst "nachher", und gerade darum wollte er sich ja nicht die Füße waschen lassen. Aber dann hatte Petrus kein Teil mit dem Herrn!

Wie ist das zu verstehen?

Der Apostel Petrus war errettet. Er hatte sich vor dem Herrn als verlorenen Sünder erkannt (Luk. 5,8), und er hatte in Ihm, dem Sohn Gottes, ewiges Leben gefunden. (Joh. 6,63.68.69.) Aber Petrus besaß, wie zumeist die Neubekehrten, trotz aller aufrichtigen Liebe zum Herrn, noch wenig Selbsterkenntnis und demzufolge auch noch großes Selbstvertrauen.

Der Herr sah es im voraus, wie es mit Petrus kommen werde, und Er betete für ihn: "Simon, Simon! Siehe der Satan hat begehrt, euch zu sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht aufhöre; und du, bist du einst umgekehrt, so stärke deine Brüder." (Luk. 22, 31-32.) Aber der Herr betete nicht, dass Petrus nicht "gesichtet" würde - denn der schmerzliche Fall war leider nötig für den Apostel - sondern dass er durch den Fall innerlich gewinnen und gesegnet werden möchte.

Der Herr sagte Petrus zugleich, wie tief er fallen werde, und warnte ihn. Aber vergeblich. Petrus schlief, als er hätte wachen und beten sollen. (Luk. 22, 39-46). Und Petrus verleugnete seinen geliebten Herrn darauf dreimal (Luk. 22, 54-62).

Wie betrübend und demütigend war das! Aber musste Petrus nun nicht aufs neue wiedergeboren werden? Nein; die Fußwaschung zeigt uns das klar und deutlich.

Wir lesen: "Da Er (der Herr) die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte Er sie bis ans Ende." (Joh. 13,1). Der Herr stand, als Er die Fußwaschung vornahm, sozusagen schon hinter dem Kreuz, d. h. das Werk der Versöhnung war in Seinem Geist schon vollbracht, und Er hatte diese Welt, in der die Seinen zurückbleiben mussten, verlassen. Darum sagte Er auch in derselben Nacht zu Gott, Seinem Vater: "Das Werk habe Ich vollbracht, das du Mir gegeben hast, dass Ich es tun sollte. (...) Und Ich bin nicht mehr in der Welt, und diese sind in der Welt." (Joh. 17,4.11.)

Was aber der Herr in jener denkwürdigen Nacht in der Fußwaschung an den Seinen getan hat und was er in jenem herrlichen Gebet zum Vater für die Seinen geredet hat, das sind Proben des gegenwärtigen Dienstes des Herrn Jesus im Himmel droben für Sein Volk, das auf der Erde weilt inmitten einer unreinen, feindlichen Welt. Er lässt die geliebten Seinen, die Er durch Sein Blut mit Gott versöhnt hat, in diesen Proben Augen- und Ohrenzeugen Seines Dienstes sein, den Er für sie im Vaterhaus droben ausübt. Und warum das? Der Herr sagt: "Damit sie Meine Freude völlig in sich haben." (Joh. 17,13.)

Petrus, der nach seiner Errettung so tief fiel, war die geeignete Person für den Herrn. An Petrus konnte Er uns zeigen, welche Vorkehrung Er zur Herstellung eines gefallenen Gläubigen getroffen hat.

"Während des Abendessens...", so lesen wir "stand Jesus (...) von dem Abendessen auf und legte die Oberkleider ab; und er nahm ein leinenes Tuch und umgürtete sich." (Joh 13,3-4)

Der Herr erscheint hier als der Diener der Seinen. Da, wo der Herr als Richter erscheint, ist Er mit einem goldenen Gürtel umgürtet (Offb 1,13). Gold ist das Bild der göttlichen Gerechtigkeit, die uns durch den Glauben an das Versöhnungsopfer auf Golgatha zuteil wurde (Offb 3,18). Leinwand ist das Bild der praktischen Gerechtigkeit, der Schmuck des heiligen Wandels der Gläubigen. Vergl. dazu Offb. 19,8, wo im Urtext die Mehrzahl steht: "Die Gerechtigkeiten der Heiligen". Die uns durch Christi Blut zugerechnete Gerechtigkeit ist dagegen für alle Erlösten eine und dieselbe; da steht keine Mehrzahl.

Doch in Joh. 13 erscheint der Herr als Diener der Seinen. Er hat uns gedient, als Er uns am Kreuz mit Gott versöhnte; aber Er dient uns auch noch heute. Er ist unser Sachwalter und verwendet sich für uns.

Das Wort Gottes ermahnt uns also: "Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt. Und wenn jemand gesündigt hat - wir haben einen Sachwalter (oder Fürsprecher) bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten." (1. Joh. 2,1.) (Beachte: Es heißt: "gesündigt hat ". Das ist sehr schön und allein unserer heiligen Berufung würdig, Gott setzt für den Gläubigen nie die Sünde in die Zukunft, sondern stets in die Vergangenheit.)

Wenn ein Kind Gottes ausgeglitten und gefallen ist, so ist es deshalb bei dem Vater nicht aus seiner Kindesstellung verstoßen, aber seine praktische Gemeinschaft mit Ihm ist unterbrochen. Und wie ernst ist das! Würde nun der Herr, der die Sühnung für unsere Sünden geworden ist, nicht auch als "der Gerechte" für uns als Sachwalter bei dem "Vater" sein, nicht für uns beten, so würden wir nach unserem Fall liegen bleiben und uns nur noch mehr und mehr von Ihm entfernen. Da wäre keine Hoffnung auf Herstellung und Heilung für uns.

Infolge der Fürbitte des Herrn aber deckt das Wort Gottes (das Wasser) dem Gläubigen auf, wo er gefehlt hat oder jetzt noch fehlt, und er wird zum Bekenntnis gedrängt; dann nimmt das Wort Gottes (das Wasser) auch den Schmutz hinweg. Der Gläubige wird nicht nur von der bösen Sache getrennt, sondern auch innerlich von dem Fall hergestellt. Das Wort Gottes tröstet den gebeugten Gläu bigen, der sein Übel gelassen und bekannt hat. Es zeigt ihm, wie auch dafür das Blut Christi einst fließen musste und schon geflossen ist. Du erinnerst dich, was ich dir darüber schon das vorige Mal geschrieben habe, als wir das Vorbild von der Asche der roten Kuh betrachteten und die Anwendung der Asche mit reinem Wasser auf den Unreinen gesehen haben. Petrus wollte seine Füße nicht hinhalten zum Waschen. So handelt auch jetzt der Gläubige, der, nachdem er gesündigt hat, das Böse nicht in Wahrheit dem Herrn kundtut. Der Herr sagt darum zu Petrus: "Wenn Ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil mit Mir." Er sagt nicht: "So hast du kein Teil an Mir", sondern " mit Mir". An dem Herrn hatte Petrus teil, denn er war errettet; aber nach seinem Fall hatte er, bis zu seiner Herstellung, kein Teil mit Ihm. Die Gemeinschaft war unterbrochen.

Petrus erschrickt über dieses Wort des Herrn und ruft nun aus: "Herr, nicht meine Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt!" Aber was antwortet ihm der Herr? Er sagt: "Wer gebadet ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen die Füße, sondern ist ganz rein." (Joh 13,9-10.)

Petrus war gebadet. Er war durch Gottes Wort und Geist wiedergeboren. Er war darum errettet, "ganz rein" und also seiner Stellung nach passend und bereit für den Himmel. So ist es mit jedem wahren Gläubigen. Er ist auf Grund der Erlösung durch das Blut des Herrn Jesus und seiner inneren Erneuerung durch Gottes Wort und Heiligen Geist "gebadet, "ganz rein". Gott könnte ihn darum abrufen zu sich in des Himmels Herrlichkeit. Er ist ja dafür "passend" oder "fähig" gemacht. (Lies Kolosser 1,12.13!)

Aber solange der Gläubige durch diese unreine Welt geht, muss er täglich seine Füße waschen, d. h. in Wachsamkeit und im aufrichtigen Bekenntnisse und Selbstgericht sich reinigen und seinen Wandel durch Gottes Wort richten, ordnen, wandeln und bilden lassen.

Der Herr gebe dir und mir und allen Seinen Erlösten ein zartes Gewissen, ein Ohr, das auf Gottes Wort und des Geistes Mahnung aufmerksam ist, ein lenksames Herz, um zu wandeln, wie es Kindern Gottes geziemt. So Gott will, werden wir das nächste Mal noch weiter über unseren Gegenstand reden.

Im Herrn

dein ...