Was der Kampf nicht ist (15. Brief)

Lieber ...,

über den ernsten Kampf, den der Gläubige zu führen hat, nachdem er Frieden mit Gott gefunden hat, wollen wir also heute reden. Du wirst mir gestatten müssen, ziemlich weit auszuholen, noch einmal manches zu reden, was ich dir schon früher, wenn auch nicht in derselben Ausführlichkeit, gesagt habe: über den Zustand des Menschen und seine nutzlosen Anstrengungen, sich selbst zu befreien und für Gott zu leben.

Weder in Römer 7 noch in 1. Petrus 2,11 und noch viel weniger in Jakobus 4,1 finden wir den christlichen Kampf, den "guten Kampf", wie ihn der Apostel (1. Tim. 6,12 und 2. Tim. 4,7) nennt. Ein gefangener und geknechteter Mensch mag sich abmühen und sich in nutzlosen Anstrengungen erschöpfen, um sich von seinen Banden zu befreien - dies ist der Fall mit dem erneuerten Menschen unter dem Gesetz {Römer 7} - aber er ist gefangen und kraftlos, er kann nicht kämpfen. Israel in Ägypten kämpfte nicht mit dem Pharao; es war unterjocht, litt, seufzte und tat, was ihm befohlen war.

Um den guten Kampf kämpfen zu können, muss man zuerst mit sich selbst zu Ende gekommen sein; man muss den Heiligen Geist empfangen haben, der uns das Bewusstsein unserer Annahme bei Gott, sowie unserer Stellung und unserer Vorrechte in Christus gibt. (1. Kor. 2,12.) Man muss durch den Glauben die Tatsache verstanden haben, dass wir mit Ihm gestorben und auferstanden sind, gestorben der Sünde und lebend für Gott (Römer 6,11), um uns praktisch als solche zu erweisen, die mit der ganzen Waffenrüstung Gottes bekleidet sind. (Eph. 6,10-20.) Anders ist man zum guten Kampf nicht fähig.

In Römer 6 wird uns die Befreiung von der Macht der Sünde dargestellt, oder mit anderen Worten, von der Herrschaft des schrecklichen Sklavenhalters der die "Sünde im Fleisch" heißt. In Römer 7 haben wir dann die bitteren Erfahrungen des erneuerten Menschen unter dem Gesetz und die Nutzlosigkeit seiner Anstrengungen, sich von dieser schrecklichen Herrschaft zu befreien. Wo aber ist die Befreiung zu finden?

Wir besitzen sie in Christus voll und ganz, und zwar auf Grund unserer Vereinigung mit Ihm in Seinem Tod und in Seiner Auferstehung. Wir sind mit Christus eins gemacht worden "in der Gleichheit Seines Todes" (Röm. 6,4-6), und wir stehen jetzt in Christus vor Gott, nicht mehr in dem gefallenen Adam, auch nicht "im Fleisch", sondern im Geist. (Röm. 8,9.) Der alte Mensch ist mit Christus gekreuzigt, das Fleisch gerichtet, und die Sünde im Fleisch verurteilt worden, so dass der, der gestorben ist, von der Sünde freigesprochen ist. Und es gibt nun keine Verdammnis mehr für diejenigen, die in Christus Jesu sind. (Röm. 8,1-4.) Gott allein hat diese Befreiung be wirkt, somit ist sie nicht das Ergebnis unserer Anstrengungen, unserer Kämpfe; sie ist vollkommen das Werk Gottes. "Steht und seht die Rettung Jahwes!" "Jahwe wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein." (2. Mose 14,13.14.)

In 2. Mose 12 erscheint Gott als Richter. Das Blut des Lammes entspricht den Anforderungen der göttlichen Ge rechtigkeit, und das Volk, das durch das an der Ober schwelle und an den Türpfosten befindliche Blut geschützt war, befand sich in Sicherheit und nährte sich nun in Frieden von dem geschlachteten Lamm. Gott sieht das und geht, gemäß Seinem Wort, an ihnen vorüber. Hier sehen wir im Vorbild die Rechtfertigung, die Befreiung vom Gericht und als Folge Frieden durch "den Glauben an Sein Blut" {Röm 3,25}. Die Anwendung dieser Wahrheit für uns finden wir in dem Abschnitt Römer 3,4 bis 5,11. Für Israel nun war Gott gegenüber alles in Ordnung, aber nicht ihren Feinden gegenüber. Sie waren noch in dem Haus der Knechtschaft, unter der Macht der Unterdrücker und noch nicht durchs Rote Meer gegangen. Das Gegenbild dieses Zustandes für uns finden wir in Römer 7,24. Wer konnte die Kinder Israel erlösen? Die Rettung ist Jahwes. Sie ist Sein Werk allein. Er öffnet ihnen den Weg der Befreiung durch die tiefen Wasser, worin alle ihre Feinde vernichtet werden. Welch vollkommene, wunderbare Befreiung! Nun sind sie als ein erlöstes Volk zu Gott gebracht; glücklich und in Freiheit können sie jetzt dem Herrn ein Loblied singen (2. Mose 15). Sie haben diesen Weg nie mehr zu machen.

Die Kinder Israel waren nun für immer ihrer Stellung nach von Ägypten getrennt. Nie mehr konnten sie diesen Weg wieder zurückgehen, um das Rote Meer wieder zu durchschreiten, um wieder in ihren alten Zustand zurückzukehren. Gott würde ihnen dazu das Rote Meer nicht geöffnet haben. (Nur mit der Begierde des Herzens konnten sie nach Ägypten zurückkehren – wie traurig! 4. Mose 11,5.) So ist es auch mit uns. Die wahrhaft Gläubigen sind durch den Tod und die Auferstehung Christi für immer zu Gott gebracht und nun Erkaufte, Erlöste, Befreite, um ab sofort Gott zu dienen und Ihm nach dem herrlichen Land der Verheißung zu folgen.

Aber was begegnet den Kindern Israel in der Wüste, nachdem sie mit dem Manna gespeist {2. Mose 16} und mit dem Wasser aus dem Felsen getränkt worden {2. Mose 17,1-7} waren? Jetzt erscheint Amalek, der sich ihnen entgegenstellt. (2. Mose 17,8-16.) Das ist das Fleisch, das stets gegen den Geist begehrt und stets der neuen Natur entgegengesetzt wirkt. Es will uns den Weg versperren und uns am Vorwärtseilen auf dem Weg zur Heimat hindern. Es wirkt dem Geist entgegen, damit wir nicht das tun, was wir wollen. (Gal. 5,17.) Aber während Moses mit dem Stabe der Autorität auf dem Berg ist und für das Volk seine Hände erhebt, kämpft Josua - in uns Christus in der Kraft des Geistes - gegen Amalek, und Israel hat die Oberhand. Amalek und sein Volk werden durch das Schwert Josuas geschlagen. Das Schwert des Wortes Gottes, das mir zuruft: "Halte dafür, dass du der Sünde tot bist!" wird auf das Fleisch angewandt, und es wird unterworfen. - Aber der Krieg gegen Amalek hörte nie auf. (2. Mose 17,16.) Und so ist stets Kampf und Streit zwischen dem Geist und dem Fleisch, solange wir in der Wüste sind. Aber der Herr in der Höhe gibt uns die Oberhand, Sein Geist kämpft in uns durch Sein Wort. Für diejenigen, die Christus angehören, ist Amalek (und sein Volk) gekreuzigt; die Überwinder halten daran fest. Und indem sie im Geist wandeln, wird das Fleisch unter dem Urteil des Todes gehalten und die Lust des Fleisches darum nicht erfüllt. (Gal. 5,16.)

In Römer 7 unterliegt der wiedergeborene Mensch, solange er unter dem Gesetz ist, immer, während der Sieg immer auf Seiten der alten Natur ist: "Das Böse, das ich nicht will, das übe ich aus." {Röm 7,15.} Aber in Galater 5 ist es anders. Da ist nicht der Kampf zwischen den beiden Naturen, der alten und der neuen, sondern zwischen dem Fleisch und dem Geist, den wir in Römer 7 noch vermissen, der in Römer 8 aber immer wieder genannt wird. Und sieh, der Geist trägt den Sieg davon. Der Gläubige, der durch die Gnade und die Wahrheit, wie sie "in dem Jesus ist" (Eph. 4,21-24), von allem Selbstvertrauen befreit ist, wird im steten Selbstgericht vorangehen, und indem er sich nun vom Heiligen Geist leiten lässt, der ihm von Gott gegeben ist, wird er überall die Kraft des neuen Lebens offenbaren; Er wird tun, was Gott wohlgefällig ist, woran er nach dem neuen Leben Gefallen findet. Jetzt erst kann er auch den guten Kampf kämpfen.

Doch hier muss ich schließen, mein lieber .... Dieser Brief wird dir ohnehin viel zu denken geben, aber lies ihn ruhig und lies ihn mehrere Male, und der Herr möge dich durch seinen Inhalt segnen. Das nächste Mal, so Gott will, also Näheres vom guten Kampf selbst.

Dem Herrn und Seiner Gnade aber sei inzwischen und allezeit befohlen!

In Ihm dein ...