KAPITEL 5

«Die Ältesten nun unter euch ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden des Christus und auch Teilhaber der Herrlichkeit, die geoffenbart werden soll : Hütet die Herde Gottes, die unter euch ist, indem ihr die Aufsicht nicht aus Zwang führet, sondern freiwillig, auch nicht um schändlichen Gewinn, sondern bereitwillig, nicht als die herrschen über ihre Erbteile, sondern indem ihr Vorbilder der Herde seid» (Verse 1—3).

Der Herr selbst hatte dem Petrus den Auftrag gegeben: «Hüte Meine Schafe!» Mit welchem Ernste Petrus sich dieses Auftrages entledigte, beweisen seine beiden Briefe, die er den Gläubigen, den Fremdlingen, denen, die ohne Bürgerrecht sind, geschrieben hat. Er ermahnt seine Mitältesten, die Herde Gottes mit Eifer und in Hingabe zu betreuen. Der «Älteste» wird hier weniger in seinem amtlichen Charakter betrachtet als vielmehr als der, welcher schon durch sein Alter und damit mit seinen Erfahrungen und seiner Weisheit auf normale Weise dazu berufen ist. Bei den Juden war dies schon selbstverständlich, weil es immer ihre Gewohnheit war, Älteste zu haben, weshalb der Apostel Paulus besonders in den «heiden-christlichen» Versammlungen Älteste einstellte. Es konnte zwar sein, dass auch ein jüngerer Bruder, der sich durch besondere Fähigkeiten und geistliche Gesinnung auszeichnete, ein Ältester sein konnte, denn das Alter war nicht allein maßgebend. Es war ein außerordentlich schönes Teil, das der Herr dem Petrus anvertraute, ein Teil, das dem Herzen Jesu überaus kostbar, ja das Teuerste war, das Er besaß. Die Sorge, die der Herr für Seine bluterkaufte Herde hatte, erfüllte nun auch das Herz des Petrus. Er hatte Seinen Herrn wirklich lieb, und wenn der Herr ihn jetzt nochmals gefragt hätte: o Simon, Sohn Jona, liebst du Mich mehr als diese?» mit welch glücklichem Herzen hätte er Ihm nun antworten können: «Ja, Herr, Du weist, dass ich Dich lieb habe!» Nochmals weist Petrus darauf hin, dass Leiden das Teil der Gläubigen ist. Er schrieb ja an Juden und deshalb war auch sein Brief mit dem Königreiche und der Herrschaft Jesu verbunden, doch dachte der Jude eben nicht an Leiden, sondern an ein Königreich ungetrübter, verherrlichter Freude. Sicherlich, das würde kommen, aber der Jude erwartete es jetzt und hienieden und wusste im Grunde nichts von einem himmlischen Reich. Das ist der Grund, weshalb Petrus immer wieder von Leiden spricht, allerdings nicht vergessend, die Herrlichkeit, die die Leiden ablösen würde, dem Leser vor Augen zu stellen.

Die Aufsicht über die Herde sollten die Ältesten nicht aus Zwang, sondern in Freiwilligkeit ausüben. Es entspricht nicht dem Geiste des Evangeliums, etwas aus Zwang oder aus bloßer Pflichterfüllung zu tun, das würde jeglichem Dienste die Anmut und Lieblichkeit rauben. Das gleiche träfe zu, wenn es um des «lieben Geldes» willen geschähe, der Apostel nennt es recht scharf: «schändlicher Gewinn». Des weiteren darf der Dienst nicht den Charakter der Herrschsucht tragen; es ist wichtig, daran zu denken, dass die Herde nicht unser Besitztum ist, sondern dem Herrn gehört. Das wird uns vor einem Herrsch-Geiste bewahren und wir kommen nicht in Gefahr, von «meiner Gemeinde», oder von «unserer Versammlung» zu reden. Wir sind nicht berufen zum Herrschen, sondern zum Dienen. Es wird sich erübrigen, noch zu betonen, dass es heute keine von Gott autorisierte Älteste mehr gibt, denn wer wäre von Gott berufen, sie einzusetzen. Dennoch, der Herr betreut Seine Herde und Er wird ihr immer wieder Hirten geben, die um die Seelen besorgt sind und sich um sie mühen. Wer nach einem solchen Dienste trachtet—selbstlos der Herde zu dienen—begehrt einen schönen Dienst. Dies werden die rechten Vorbilder der Herde sein, denn zu einem Hirten dienst gehört ein Hirten herz . Gott möge uns in den letzten Tagen unserer Pilgerschaft die Hirten schenken, die die Herde benötigt.

Es wäre noch die Frage zu beantworten, was versteht der Apostel unter den «Erbteilen», über die die Ältesten nicht herrschen sollen. Das Erbteil spielte unter den Juden eine ganz andere Rolle, als dies bei uns der Fall ist; wir könnten heute einfach «Besitz» dafür setzen. Die Gefahr ist bei beiden die gleiche, nämlich sich um das Besitztum, das Vermögen, die Güter der dem Ältesten Anbefohlenen, in einer nicht geziemenden Weise zu autorisieren, wohl auch mit dem Unterton, selber einen Profit davon zu haben. Das alles sollte bei einem Ältesten nicht gefunden werden. Heiligkeit auch in finanziellen Dingen ist Gott wohlgefällig, aber bei wie vielen Christen geht das Christentum nur bis zum— Portemonnaie. Wie beschämend! Sollten wir nicht singen können:

Dank Dir, o Herr, dass Gold und Schätze

Und Pracht und Schönheit dieser Welt,

Dass kein Ding je mich kann ergötzen,

Das mir die Welt vor Augen stellt.

«Und wenn der Erzhirte offenbar geworden ist, so werdet ihr die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen» (Vers 4).

Der Herr Jesus selbst ist der große Erzhirte, der wahre Oberhirte. Seinesgleichen ist keiner. Er wacht über alle Ihm unterworfenen Hirten und Er wird mit Seinem Lohn nicht kargen, wenn der Hirte, beseelt von barmherziger, selbstloser, dienender Liebe sich der Herde in Treue angenommen hat. Er wird ihm eine Krone schenken, die unverwelklich ist. Sie hat nichts mit den irdischen Kronen gemein, und mögen dieselben dreifach sein, sie werden verwelken, ihr Glanz geht dahin, sie werden vergessen und niemand erinnert sich mehr an ihre einstige Größe und ihren Ruhm. Darum ist die unverwelkliche Krone eine Krone der Herrlichkeit; sie wird droben in den himmlischen Gemächern geschaut werden, ewig und unvergänglich sein.

«Gleicherweise ihr Jüngeren, seid den Älteren unterwürfig. Alle aber seid gegeneinander mit Demut fest umhüllt; denn Gott widersteht Hochmütigen, Demütigen aber gibt Er Gnade» (Vers 5).

Die Herde Gottes umfasst Ältere und Jüngere, sie bilden, auf den gleichen Boden gestellt, eine Familie, in der jedes Glied gleichberechtigt ist. Dennoch normalisiert das Christentum jegliche soziale und familiäre Beziehung und ist so das Bollwerk gegen jede umstürzlerische Tätigkeit, die Gesellschaft und Familie untergraben und vernichten möchte. Ach, dass doch dieser böse Zeitgeist unter den Gläubigen nicht spürbar sein möchte! Es wird nicht der Fall sein, wenn die Gläubigen mit Demut fest umhüllt, ich möchte sagen, gepanzert sind. Diesen göttlichen Panzer der Demut wird kein Hochmut durchbrechen können, wie sehr derselbe auch unserer alten Natur anhangen mag. Gott widersteht Hochmütigen, aber Demütigen öffnet Er alle Schätze Seiner Gnade. Lasst uns daher den Herrn, den von Herzen Demütigen, stets vor Augen haben, dann wird die Gnade uns werden, die wir für den Glaubenspfad hienieden benötigen.

O Herr, wir warten Dein,

Du Quell der Gnad' und Macht

Versagest nie in unsrer Not,

Hast stets hindurchgebracht.

«So demütiget euch nun unter die mächtige Hand Gottes, damit Er euch erhöhe zur rechten Zeit, indem ihr alle eure Sorge auf Ihn werfet, denn Er ist besorgt für euch» (Verse 6—7).

Not und Bedrängnis lasteten in den Tagen der Apostel schwer auf dem Wege der Heiligen. Gott hätte es Seinen Kindern ersparen können, aber Seine Wege und Seine Ratschlüsse sind vollkommen und werden immer zu unserem Besten dienen. Darum ermuntert Petrus die Gläubigen, sich unter die mächtige Hand Gottes zu demütigen, das will sagen, dass sie ob den Wegen des Herrn nicht erschrecken sollen, sie auch nicht fliehen möchten, sondern jeden Tag und jede Stunde aus Seiner Hand nehmen, wie Er dieselben auch gestalten mag. Seine Hand ist mächtig, in dieser Welt alles nach Seinem Wohlgefallen zu gestalten, aber auch mächtig, die Seinen durch alle Fährnisse und Widerwärtigkeiten hindurchzutragen bis zum Ziele. Wenn wir uns also auf unseren Herrn verlassen, wird Er uns auch erhöhen, und zwar zur rechten Zeit. Gott kommt nie zu spät. Dem Harrenden wird reichlich Gnade gewährt. Darum wollen wir die Sorgen—wie groß und schwer sie auch sein mögen —Dem überlassen, der in so großer Liebe und Güte um die Seinen besorgt ist. Dies zu wissen macht das Herz getrost, stille und ruhig.

Alles sei Dir übergeben,

Du sollst Rat und Helfer sein;

Du bist Wahrheit, Weg und Leben,

Dir vertrauen wir allein.

Geht es gleich durch manch Gedränge,

Siehst Du doch den Ausgang schon,

Und Dein Herz trägt in die Länge

Den gewünschten Sieg davon.

«Seid nüchtern, wachet; Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widerstehet standhaft durch Glauben, da ihr wisset, dass dieselben Leiden sich vollziehen an eurer Brüderschaft, die in der Welt ist» (Verse 8—9).

Nüchternheit und Wachsamkeit sind Tugenden, die kein Christ entbehren kann, wenn er nicht dem Feinde, dem Teufel, unterliegen will. Dieser schleicht umher wie die Schlange, macht sich aber auch laut offenbar wie ein brüllender Löwe. Beides ist gefährlich. Die schleichende Schlange mögen wir nicht so leicht entdecken und das Gebrüll des Löwen kann uns erschrecken und unsere Energie lähmen. Beidem haben wir zu widerstehen. Allerdings, Standhaftigkeit und Glauben sind notwendig, um widerstehen zu können. Es gilt den listig gelegten Schlingen auszuweichen und demütig Verfolgungen um des Glaubens willen standhaft zu ertragen. Die ganze Brüderschaft trifft dasselbe Los; wir sind in einer gottfeindlichen Welt und müssen uns nicht wundern, wenn sie uns ob unserer Liebe zu unserem Heiland hasst, schmäht und verfolgt. Die Welt vergeht, aber die den Willen Gottes tun, bleiben, bleiben in Ewigkeit. Das ist tröstlich und gibt dem Herzen Mut.

«Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu Seiner ewigen Herzlichkeit in Christus Jesus, nachdem ihr eine kleine Zeit gelitten habt, Er selbst wird euch vollkommen machen, befestigen, kräftigen, gründen. Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen» (Verse 10—11).

Unser Gott ist ein «Gott aller Gnade». Das verkündigt auch Petrus, dem gleichsam die Reichsbotschaft anvertraut wurde, aber obwohl es um des Herrn Herrschaft und Thron geht, ist sie nicht mit dem Donner, den Blitzen und dem Feuer des Sinai verbunden, sondern mit dem Säuseln der erbarmenden, tragenden, helfenden Gnade. Ja, Er nimmt uns an der Hand und Seine Macht und Liebe ist die Bürgschaft, dass Er uns sicher zum Ziele bringen wird. O vergessen wir nicht, dass es der «Gott aller Gnade« ist, der uns durch Leiden führt, Leiden, die notwendig sind, um uns nach Gottes unerschütterlichem Ratschluss und Vorsehung zum Ziele zu bringen. Er selbst ist es, der uns und unsere Wege vollkommen zu gestalten und alles das mit uns zu vollenden weiß, was uns befestigen, kräftigen und gründen kann. So wird das Tränental zu einem Quellenort; der Weg der Leiden führt zu unaussprechlichen Segnungen, die sich heute schon wiederstrahlen in dem Pfade, den wir zu gehen haben. Es ist durch Seine überströmende Gnade, ein Weg der Kraft, der Festigkeit, des Gegründetseins. Nichts Schwaches, Weichliches, Unzulängliches duldet der Herr, was Er tut, tut Er ganz, denn es geht ja nicht um das, was wir in uns selbst sind, sondern um das, was wir i n I h m geworden sind. Darum gebührt auch alle Ehre nur Ihm allein und so bricht der Apostel, seine Belehrungen abschließend, in die Worte aus: «Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen». Bald wird Ihm das Lob werden, das Ihm allein gebührt und unaufhörlich werden erlöste Seelen Den preisen, der sie durch Sein teures Blut erkauft und zu Seinem Eigentum gemacht hat und der sie durch eine Welt der Tränen und Beschwerden unbeschadet hindurchgeführt hat in die Herrlichkeit des Vaterhauses. Ja, «was kein Auge gesehen und in keines Menschen Herz gekommen ist, das hat Gott bereitet denen, die Ihn lieben». «Sie gehen von Kraft zu Kraft; sie erscheinen vor Gott in Zion!»

«Durch Silvanus, den treuen Bruder, wie ich dafür halte, habe ich euch in Kürze geschrieben, euch zu ermuntern und zu bezeugen, dass dies die wahre Gnade Gottes ist, in welcher ihr stehet. Es grüßt euch die Miterwählte in Babylon und mein Sohn Markus. Grüßet einander mit dem Kuss der Liebe. Friede euch allen, die ihr in Christus seid» (Verse 12—14).

Nach Apostelgeschichte 16,19 wurde Silvanus—es ist Silas, der mit Paulus zusammen in Asien (Provinz in Kleinasien) gearbeitet hatte—betreut, die Briefe des Petrus an die Gemeinden zu bringen, zu denen der gemeinsame Dienst des Paulus und Petrus den Grund gelegt hatte. Gewisslich hat er diesen Dienst mit Freuden getan. Welch eine Liebe hat doch die Heiligen miteinander verbunden, wie deutlich tritt es in den Vordergrund, dass sie wirklich Glieder eines Leibes waren. Petrus betont, dass er «in Kürze« geschrieben hätte, aber welch eine Fülle von Gedanken und Wahrheiten enthält der «kurze, Brief. Treue im christlichen Wandel, Leiden in einer gottfeindlichen Welt für Christus, eine wunderbare Hoffnung bald in der Herrlichkeit droben zu sein, sind die Grundgedanken, die den gläubigen Überrest, hienieden verachtet und verkannt, ermuntert, bis zum Ziele auszuharren. In solch einer wunderbaren Gnade dürfen auch wir, die Gläubigen der Gegenwart, stehen. Welch unendlich großes Vorrecht! Die Heiligen empfingen Grüße von der «Miterwählten in Babylon«. Manche nehmen an, dass dies die Frau des Petrus gewesen sei und dass Petrus, wie viele annehmen, bereits in Gefangenschaft war, und wohl in Babylon wohnte. Markus wäre demnach sein leiblicher Sohn gewesen, aber wie dem auch sei, Petrus grüßt in herzlicher, brüderlicher Liebe die Heiligen, alle die, welche «in Christus sind», ihnen «Frieden» wünschend, wie der Herr es tat, als Er nach Seiner Auferstehung in die Mitte der Jünger trat. Auch ermahnt Petrus die Gläubigen, dass sie einander mit dem «Kuss der Liebe» grüßen sollten. Welch ein ganz anderes Verhältnis verbindet die Gläubigen miteinander, als dies bei Weltkindern der Fall ist. Alles atmet Verbundenheit, Liebe, Herzlichkeit, Heiligkeit. Fürwahr, welch ein Zeugnis von Licht, Schönheit und Anmut inmitten einer bösen, hassenden, gottfeindlichen Welt!

Möchte die schlichte Betrachtung dieses wichtigen Briefes in jedem Leser und jeder Leserin einen Wiederstrahl des wunderbaren Lichtes unseres Herrn Jesus Christus hervorrufen, dass Sein kostbarer Name durch unseren Wandel erhöht und gepriesen werde! Unser Gott und Herr walte es in Gnaden!

Wenn auch die Sonne erlischt

An dem Himmelsgewölbe,

Stürzen die Berge ins Meer auch,

Du bleibest derselbe;

Du wankest nicht,

Hältst, was Dein Wort uns verspricht:

Treu bist Du, ewig derselbe.

* * *


Zurück zur Übersicht